Die Deutsche Umwelthilfe hatte es sich zur Aufgabe gemacht, verstärkt gegen Greenwashing in der Werbung vorzugehen (ausführlich dazu, im Beitrag "Deutsche Umwelthilfe geht verstärkt gegen Greenwashing vor"). Insbesondere die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" war und ist ihr ein Dorn im Auge, denn sie vertritt die Ansicht, der Begriff sei per se irreführend, weil eine Klimaneutralität (derzeit) wohl nicht erreicht werden könne. Dieser strengen Auffassung hat sich nun auch das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.7.2023 - 13 O 46/22) in einem von der Deutschen Umwelthilfe geführten Verfahren angeschlossen. 

Landgericht Karlsruhe untersagt Werbung mit klimaneutral

Konkret ging es um die Verwendung der beiden Begriffe "klimaneutral" und "umweltneutral". Die Verwendung dieser beiden Begriffe durch eine Drogeriekette sei in der derzeitigen Form irreführend und damit unzulässig. Hinsichtlich des Begriffs klimaneutral ergebe sich die Unzulässigkeit bereits daraus, dass die Beklagte es nach § 5a Abs. 1 UWG unterlassen hatte, den Verbrauchern wesentliche Informationen über die Bedeutung des Begriffs klimaneutral zur Verfügung zu stellen. Zwar enthielt die Verpackung den Hinweis, dass das Produkt klimaneutral im Sinne von CO2-kompensiert sei. Weitergehende Informationen oder Hinweise, wo man weitere Informationen erhalten könne, gab es auf der Verpackung selber nicht. Das reiche für eine notwendige Aufklärung der Verbraucher jedoch nicht aus. Als wesentliche Informationen sah das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.7.2023 - 13 O 46/22) unter anderem Informationen darüber, auf welche Schritte im Lebenszyklus eines Produkts sich der Claim der Klimaneutralität bezieht und anhand welcher Kritierien die Prüfung für das Label des jeweiligen Zertifizierungspartners erfolgt ist. Diese Informationen fehlten vorliegend, sodass die Werbung bereits nach § 5a Abs. 1 UWG unzulässig war.

Allerdings stellte das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.7.2023 - 13 O 46/22) zudem fest, dass die Verwendung des Begriffs klimaneutral auch im Übrigen irreführend sei. Nach Ansicht der Kammer könnten die Produkte das Versprechen der Klimaneutralität bereits aus "prinzipiellen Gründen" nicht einlösen. Bereits in objektiver Hinsicht erwecke der Claim bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis, das nicht der Realität entspricht. Hierzu führt das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.7.2023 - 13 O 46/22) aus:

Die Kompensation der produktbezogen emittierten Treibhausgase soll bei den von ClimatePartner zertifizierten Produkten durch Zahlungen in bestimmte Projekte erfolgen, unter anderem ein Waldschutzprojekt in Peru. Dass der weltweite Schutz des Waldes ein wichtiges Mittel beim Klimaschutz darstellt, steht außer Frage. Daraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass Treibhausgaskompensation über entsprechende Zertifikate auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt die wettbewerbsrechtliche Berechtigung verleiht, das kompensierte Produkt als klimaneutral bewerben zu dürfen. Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht nämlich prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist. Der Verbraucher erwartet, dass eine Kompensation von Emissionen, die im Ergebnis zur Klimaneutralität des Produkts führen soll, diese auch tatsächlich bewirkt. Das produktbezogen emittierte Treibhausgas muss also dauerhaft bilanziell neutralisiert worden sein. CO2 besitzt jedoch in der Atmosphäre eine Verweildauer, die weit über die Laufzeit der Waldschutzprojekte hinausgeht. Wald bindet und speichert CO2 demgegenüber nur vorübergehend. Wenn ein Baum gefällt wird und vermodert oder auch abbrennt, setzt er das gespeicherte Treibhausgas wieder frei. Erreicht wird durch – erfolgreiche, korrekt aufgesetzte – Waldschutzprojekte sicherlich, dass mehr Wald für längere Zeiträume erhalten wird, wodurch in den entsprechenden Zeiträumen die CO2-Speicherkapazität des geschützten Waldes höher ist als im hypothetischen Szenario ohne das Projekt. Dies ist allerdings ein völlig anderer Effekt als der, den der Verbraucher aufgrund des Klimaneutral-Claims erwartet. Die produktbedingten, anthropogenen, zusätzlichen CO2-Emissionen sind hunderte oder tausende Jahre nachweisbar, gebunden und gespeichert wird die entsprechende Menge an CO2 durch das konkrete Waldschutzprojekt nur für Jahrzehnte. Danach ist die vorübergehend ausgeglichene CO2-Bilanz des Produkts wieder unausgeglichen. Um sie dauerhaft auszugleichen, müssten kontinuierlich – auch in 100 oder 1000 Jahren – weitere entsprechende Waldschutzbemühungen unternommen werden. Das hier fragliche Projekt in Peru läuft jedoch nur bis 2040, die bis dahin ausgegebenen Zertifikate sind ein für allemal „verdient“. Danach kann es zwar, wenn die grundlegenden Bedingungen sich nicht verändert haben, verlängert oder ein neues am selben Ort aufgesetzt werden. Daraus entspringen dann aber neue handelbare Zertifikate für neue Emissionen. 

Damit legt das Landgericht Karlsruhe einen besonders strengen Maßstab an die Werbung mit dem Begriff klimaneutral. Letztlich wird man sich die Frage stellen müssen, ob der Begriff bei diesem strengen Maßstab in der Werbung überhaupt noch verwendet werden kann. Die Deutsche Umwelthilfe würde diese Frage wahrscheinlich ganz klar mit einem Nein beantworten. So klar erscheint das allerdings nicht, denn erst kürzlich hatte noch das OLG Düsseldorf in zwei Verfahren festgestellt, dass der Begriff klimaneutral nicht per se irreführend sei. Es komme vielmehr darauf an, dass den angesprochenen Verbrauchern die notwendigen Informationen zum Verständnis des Begriffs mitgeteilt werden (zu den beiden Entscheidungen ausführlich hier "Ja Nein Vielleicht - OLG Düsseldorf zur Werbung mit klimaneutral"). Angesichts dieser doch deutlich unterschiedlichen Bewertung des Begriffs klimaneutral in der Rechtsprechung ist es gut, dass das OLG Düsseldorf die Revision zum BGH zugelassen hat. 

Und was ist mit "umweltneutral"?

Auch die Bewerbung der Produkte mit dem Begriff "umweltneutral" untersagte das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.7.2023 - 13 O 46/22). Der Begriff werde vom angesprochenen Verkehr im Sinne eines Produkts mit ausgeglichener Umweltbilanz verstanden. Eine solche ausgeglichene Umweltbilanz könnten die so beworbenen Produkte allerdings nicht vorweisen, sodass die Werbung insgesamt irreführend sei. In der Pressemitteilung heißt es hierzu:

Denn bislang werden von dem GREENZERO-Ansatz (den die Beklagte von der Streithelferin übernommen hat) nicht alle Umweltauswirkungen erfasst, sondern nur die Kategorien CO2-Emissionen, Eutrophierung (Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Auch wenn es sich bei diesen fünf Auswirkungen um die mit den relativ höchsten Umweltkosten handeln mag, verbleiben immerhin acht von 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen – nach bisherigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis – unberücksichtigt. Das Marketing der Beklagten für ihre Pro Climate-Produktlinie kommt insofern verfrüht.

Es gelingt der Beklagten auch nicht, die – absolute, überschießende und mithin falsche – Behauptung der Umweltneutralität durch Erläuterungen auf der Verpackung so zu relativieren, dass nach dem Gesamteindruck des Verbraucherverständnisses eine zutreffende Werbung vorliegt. Dabei unterstellt das Gericht zugunsten der Beklagten, dass der auf zwei Erläuterungen verweisende Sternchenhinweis auf der Verpackung trotz seiner geringen Größe und Positionierung am Rand der Verpackung vom Verbraucher überhaupt entdeckt wird. Doch bei näherer Betrachtung wird das aus der Werbung mit den Worten „Umweltneutrales Produkt“ fehlerhaft vorgeprägte Verständnis des Verbrauchers durch die näheren Erläuterungen letztlich verstärkt. Der Verbraucher erhält den – unzutreffenden – Eindruck, das Produkt sei durch Reduktion und Kompensation von Umwelteinwirkungen unter dem Strich vollständig umweltneutral gestellt.

 

 

WERBUNG

Gemeinsam mit Matondo Cobe und Peter Hense beleuchte ich die rechtlichen Anforderungen an eine zulässige Werbung mit Umweltbegriffen. Dabei gehen wir auf die aktuelle Rechtsprechung ein und analysieren, wie sich diese auf die Praxis auswirkt. Zudem werfen wir einen Blick auf die aktuellen Gesetzesinitiativen aus Europa im Zusammenhang mit dem Green Deal. Aufgrund der besonderen regulatorischen Herausforderungen im Finanzsektor, gibt Matondo Cobe einen Einblick auf die Besonderheiten der umweltbezogenen Werbung in diesem Bereich.

Das Buch wird unter dem Titel "Der schmale Grat zwischen grüner Werbung und Greenwashing" im Deutschen Fachverlag erscheinen.

Mehr Informationen zum Werk hinter dem nachfolgenden Link: "Der schmale Grat zwischen grüner Werbung und Greenwashing" 

Checkliste für zulässige Green Claims

Jede umweltbezogene Werbung ist anders, weil auch jedes Produkt und jede Leistung, die so beworben werden soll, anders ist. Gleichwohl sollte man im Vorfeld einer Werbekampagne mit Green Claims ein paar Fragen mit „Ja“ beantworten können, um nicht im Verdacht des unzulässigen Greenwashing zu geraten:

  • Trifft die umweltbezogene Werbeaussage objektiv zu?
  • Kann die umweltbezogene Werbeaussage im Streitfall nachgewiesen werden?
  • Ist die aufgestellte Behauptung konkret genug und für den durchschnittlichen Verbraucher zu verstehen?
  • Ist die getroffene Werbeaussage vollständig? Bezieht sich der besondere Umweltaspekt auf das gesamte Produkt oder nur auf Teile davon?
  • Wenn allgemeine Angaben (z.B. umweltfreundlich, nachhaltig etc.) gemacht werden, dann spiegelt die Angabe tatsächlich den gesamten Produktions- und Lieferprozess des Produktes wider und wird durch Nachweise gerechtfertigt?
  • Einschränkungen mit Blick auf den Umweltaspekt werden klar und transparent dargelegt?
  • Relevante Informationen, die Verbraucher für eine fundierte Kaufentscheidung benötigen werden nicht zurückgehalten?

 

 

Rechtsberatung im Bereich Umweltwerbung

Unsere Rechtsanwälte im Bereich Werbung- und Wettbewerbsrecht aus Düsseldorf unterstützen Unternehmen jeder Größenordnung in allen rechtlichen Fragen rund um eine rechtssichere Umweltwerbung. Wir beraten sowohl im Vorfeld einer Werbekampagne als auch bei der Verteidigung gegen Abmahnungen.

Sie möchten Ihre Werbekampagne rechtlich absichern? Gerne bringe ich Ihnen im Rahmen eines unverbindlichen Erstgesprächs die Rechtslage näher und unterstütze Sie dabei, Rechtsklarheit zu gewinnen. Kontaktieren Sie mich jederzeit für ein Kennenlerngespräch.

Weitere interessante Beiträge zum Werbe- und Medienrecht