Die Werbung mit Umweltbegriffen wird immer beliebter und zugleich immer stärker von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsverbänden beobachtet. Zuletzt hatte der Deutsche Umwelthilfe e.V. zahlreiche Verfahren wegen des Verdachts des Greenwashings angestrengt und hierüber ausführlich berichtet. Ausgangspunkt einer Reihe von Gerichtsverfahren um die Werbung mit dem Begriff klimaneutral war und ist allerdings eine Initiative der Wettbewerbszentrale. Durch zahlreiche Verfahren will die Wettbewerbszentrale eine höchstrichterliche Klärung zu den rechtlichen Anforderungen an die zulässige Werbung mit dem Begriff klimaneutral erreichen. Ziel ist es, unzulässiges Greenwashing in der Werbung nachhaltig zu unterbinden.

OLG Düsseldorf entscheidet zwei Mal zur Werbung mit klimaneutral

Zwei dieser Verfahren der Wettbewerbszentrale wurden nun vor dem OLG Düsseldorf verhandelt und entschieden (Urt. v. 6.7.2023 - I-20 U 72/ und I-20 U 152/22). Der Volltext zu den beiden Entscheidungen gibt es hier:

Klimaneutrale Marmelade

In dem einen Verfahren ging es um eine angeblich klimaneutrale Marmelade (Vorinstanz LG Mönchengladbach, Urt. v. 25.2.2022 - 8 O 17/21). Hier warb das Unternehmen in der Lebensmittel-Zeitung mit dem Slogan "klimaneutrales Produkt" für eine Marmelade. In der Werbung gab es keine weitergehenden Informationen dazu, wie die Klimaneutralität erreicht wurde. Auch ein Hinweis auf eine entsprechende Informationsseite fehlte. Hierin sah das LG Mönchengladbach einen Wettbewerbsverstoß, weil der angesprochene Verkehr die Werbung so verstehe, dass das Produkt selbst klimaneutral hergestellt wurde. Der Verkehr erwarte nicht, dass die Klimaneutralität erst durch eine nachträgliche Kompensation erfolge. Das sah das OLG Düsseldorf zwar anders, stellte allerdings gleichwohl eine Irreführung fest. Das OLG Düsseldorf ist der Ansicht, dass der Begriff klimaneutral erklärungsbedürftig sei. Fehle es an weiterführenden Informationen dazu, wie die Klimaneutralität konkret hergestellt wird, ist die Werbung intransparent und damit irreführend. Dabei genüge es, wenn in der Werbung ein Hinweis auf eine weiterführende Informationsseite gegeben wird. 

Zum Verkehrsverständnis hinsichtlich des Begriffs "klimaneutral" führt das OLG Düsseldorf aus

Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, GRUR 2022, 1451 Rn. 27 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral). Dies gilt schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, wie etwa Flugreisen. Nicht anders ist es, wenn sich die Klimaneutralität – wie hier – nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern nur auf ein konkretes Produkt bezieht.

Aus der reinen Verwendung des Begriffs klimaneutral kann der Senat allerdings noch keine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG sehen, da es an einer Fehlvorstellung hinsichtlich des Begriffs fehle. Der Unterlassungsanspruch ergab sich allerdings vorliegend aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1 UWG:

Fehlt es an einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, weil es an einer irregeleiteten Fehlvorstellung des Verbrauchers fehlt, so kann doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden vorliegen, weil dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (BGH, GRUR 2020, 1226, 1229 – LTE-Geschwindigkeit).

[...]

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information in dem vorgenannten Sinne.

Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 - klimaneutral).

Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. (...) Der Verbraucher hat daher – neben der Frage, welche Produktionsvorgänge einberechnet werden - ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (wie hier: OLG Frankfurt a.a.O.), darüber hinaus – da bestimmte Ausgleichsmaßnahmen umstritten sind – die Art der Ausgleichsmaßnahmen. 

Die geforderten Informationen können auch auf einer gesonderten Internetseite vorgehalten werden. Auf diese muss dann aber in der Werbung hingewiesen werden. Dabei muss der Hinweis so ausgestaltet sein, dass für den Verbraucher unschwer ein Bezug zu der Bewerbung mit "klimaneutral" hergestellt werden kann. Nicht ausreichend ist dabei eine bloße Angabe der Internetseite, denn hierdurch wird gerade kein Zusammenhang hergestellt. Hierzu führt der Senat treffend aus:

Hieran fehlt es vorliegend. Weder die Anzeige noch die Produktverpackung enthalten einen Hinweis darauf, wie es zu der „Klimaneutralität“ kommt. Soweit die Beklagte geltend macht, entsprechende Erläuterungen fänden sich auf ihrer sowohl in der Werbung, als auch auf der Verpackung angegebenen Internetseite, mag dies zutreffen, verfängt aber deshalb nicht, weil dann jedenfalls die Information in der Werbung beziehungsweise auf der Packung erforderlich ist (und sei es auch nur durch eine Angabe vergleichbar „Näheres unter …“), dass dies der Fall ist. Vorliegend besteht aber kein Zusammenhang zwischen der Angabe „klimaneutral“ und der Website.

Eine Möglichkeit, einen ausreichenden Zusammenhang herzustellen kann also durch die Formulierung "Näheres unter..." erfolgen. 

Klimaneutrale Süßigkeiten

Bei dem zweiten Verfahren ging es um Fruchtgummi. Auch dieses wurde in einer Zeitungsanzeige in der Lebensmittel-Zeitung mit der Angabe "Klimaneutral Produkt" beworben. Anders als in dem ersten Verfahren gab es hier allerdings einen Hinweis auf eine Internetseite mit weiterführenden Informationen. Aus diesem Grund hatte bereits die Vorinstanz (LG Kleve, urt. v. 22.6.2022 - 8 O 44/21 - ausführlich dazu hier und hier) eine Irreführung verneint. Zudem war das LG Kleve der Auffassung, dass durch den Abdruck der Anzeige in der Lebensmittel-Zeitung nur ein Fachpublikum angesprochen wurde. Dieses Fachpublikum kenne sich besser mit dem Begriff klimaneutral aus und bedarf daher weniger Informationen. Diesen Aspekt sah das OLG Düsseldorf (zurecht) anders. Auch bei einer Werbung in der Lebensmittel-Zeitung komme es auch auf das Verständnis von Verbrauchern an. Diese hätten ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität auch durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht werde oder nur duch den Erwerb von CO2-Zertifikaten. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf reichten allerdings die erteilten Hinweise auf eine weiterführende Internetseite aus, um eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden. Aus diesem Grund wies der Senat die Berufung der Wettbewerbszentrale zurück und bestätigte die Entscheidung des LG Kleve.

Zum Verkehrsverständnis führt der Senat aus:

Entsprechend hatte das OLG Düsseldorf eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG verneint. Der Senat hat aber auch nicht feststellen können, dass den Verbrauchern im Sinne von § 5a UWG wesentliche Informationen vorenthalten werden. Die in der Werbung gemachten Angaben seien ausreichend, um dem Verbraucher alle wesentlichen Informationen mitzuteilen: 

Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der behandelten Rechtsfragen hat das OLG Düsseldorf in beiden Verfahren die Revision zum BGH zugelassen. Es ist also zu hoffen, dass in beiden Fällen die jeweils unterlegene Partei Revision einlegt und den BGH zur Entscheidung zu den gestellten Fragen anruft.   

 WERBUNG

Gemeinsam mit Matondo Cobe und Peter Hense beleuchte ich die rechtlichen Anforderungen an eine zulässige Werbung mit Umweltbegriffen. Dabei gehen wir auf die aktuelle Rechtsprechung ein und analysieren, wie sich diese auf die Praxis auswirkt. Zudem werfen wir einen Blick auf die aktuellen Gesetzesinitiativen aus Europa im Zusammenhang mit dem Green Deal. Aufgrund der besonderen regulatorischen Herausforderungen im Finanzsektor, gibt Matondo Cobe einen Einblick auf die Besonderheiten der umweltbezogenen Werbung in diesem Bereich.

Das Buch wird unter dem Titel "Der schmale Grat zwischen grüner Werbung und Greenwashing" im Deutschen Fachverlag erscheinen.

Mehr Informationen zum Werk hinter dem nachfolgenden Link: "Der schmale Grat zwischen grüner Werbung und Greenwashing" 

Checkliste für zulässige Green Claims

Jede umweltbezogene Werbung ist anders, weil auch jedes Produkt und jede Leistung, die so beworben werden soll, anders ist. Gleichwohl sollte man im Vorfeld einer Werbekampagne mit Green Claims ein paar Fragen mit „Ja“ beantworten können, um nicht im Verdacht des unzulässigen Greenwashing zu geraten:

  • Trifft die umweltbezogene Werbeaussage objektiv zu?
  • Kann die umweltbezogene Werbeaussage im Streitfall nachgewiesen werden?
  • Ist die aufgestellte Behauptung konkret genug und für den durchschnittlichen Verbraucher zu verstehen?
  • Ist die getroffene Werbeaussage vollständig? Bezieht sich der besondere Umweltaspekt auf das gesamte Produkt oder nur auf Teile davon?
  • Wenn allgemeine Angaben (z.B. umweltfreundlich, nachhaltig etc.) gemacht werden, dann spiegelt die Angabe tatsächlich den gesamten Produktions- und Lieferprozess des Produktes wider und wird durch Nachweise gerechtfertigt?
  • Einschränkungen mit Blick auf den Umweltaspekt werden klar und transparent dargelegt?
  • Relevante Informationen, die Verbraucher für eine fundierte Kaufentscheidung benötigen werden nicht zurückgehalten?

 

 

Rechtsberatung im Bereich Umweltwerbung

Unsere Rechtsanwälte im Bereich Werbung- und Wettbewerbsrecht aus Düsseldorf unterstützen Unternehmen jeder Größenordnung in allen rechtlichen Fragen rund um eine rechtssichere Umweltwerbung. Wir beraten sowohl im Vorfeld einer Werbekampagne als auch bei der Verteidigung gegen Abmahnungen.

Sie möchten Ihre Werbekampagne rechtlich absichern? Gerne bringe ich Ihnen im Rahmen eines unverbindlichen Erstgesprächs die Rechtslage näher und unterstütze Sie dabei, Rechtsklarheit zu gewinnen. Kontaktieren Sie mich jederzeit für ein Kennenlerngespräch.

 

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