Am Donnerstag und Freitag schaffte es Marcus Thuram (Spieler bei Borussia Mönchengladbach) mal wieder schlagzeilenträchtig in die Medien.

Während der Stürmer in der jüngeren Vergangenheit durch den ein oder anderen Fehltritt berechtigt bei den Fans in die Kritik geraten ist, ist die neuerliche Aufmerksamkeit dem Umstand geschuldet, dass ihm Aussagen in den Mund gelegt wurden, die er nicht oder jedenfalls nicht in der unterstellten Form getätigt hat. Aber was ist passiert?

In einem französischsprachigen Podcast von Sport News Africa trafen sich unter anderem Marcus Thuram und Ibrahima Traoré (ehemaliger Spieler von Borussia Mönchengladbach) zu einem Interview. Wie es dem Naturell der beiden entsprach, sollte es ein lustiges Treffen zweier Freunde werden, die sich über Gott und die Welt witzig austauschen wollten. Zu Gott und die Welt gehörten selbstredend auch der Verein Borussia Mönchengladbach sowie Spieler und Trainer. Kurz, in dem gesamten Interview wurden verschiedene Aussagen über den Verein und Spieler sowie Trainer getroffen, die allesamt mit einem Augenzwinkern zu verstehen waren. Soweit so uninteressant und üblich. Am Donnerstag veröffentlichte die BILD dann allerdings einen Beitrag unter der Überschrift „Gladbach-Star rechnet mit Ex-Trainer Hütter ab“ ( aus nachvollziehbaren Gründen verzichte ich darauf, den Beitrag der BILD an dieser Stelle zu verlinken!). Was in dem Beitrag folgte, waren verschiedene Zitate von Aussagen, die Marcus Thuram in dem Podcast über den Ex-Trainer und den Verein getroffen haben sollte. Eingeleitet wird der Beitrag allerdings mit dem Hinweis, die BILD wisse, warum ein Verbleib von Marcus Thuram bei Borussia ab jetzt als ausgeschlossen gilt:

„Warum? Weil er jetzt gnadenlos mit seiner Gladbach-Zeit und seinem Noch-Arbeitgeber abrechnet…“

Dann folgen zahlreiche Aussagen, welche die BILD als Zitate von Thuram ausgibt und diese Generalabrechnung belegen sollen. Der Beitrag verfehlt seine Wirkung nicht. In den sozialen Medien wird erneut wild über Marcus Thuram diskutiert. Schnell steht die Meinung fest: Marcus Thuram ist der Bösewicht. Vermutlich freute man sich bei der BILD, dass der Beitrag gut ankam und viel geklickt wurde. Immerhin hatte er alles, was es brauchte: einen Traditionsverein mit emotionalen Fans, einen hochbezahlten Fußballspieler, der schlecht über den Verein redet aber in der Vergangenheit selber schon öfter negativ aufgefallen ist und dem Verein auch in der sportlich schwierigen Phase (aus welchen Gründen auch immer) nicht richtig helfen konnte. Man hätte in der Redaktion fröhlich ins Wochenende gehen können. Nachdem die Kritik an Thuram in den sozialen Netzwerken immer lauter wurde, hatte sich der Twitter-User Manuel Breuer den französischsprachigen Podcast mit Thuram und Traoré noch einmal genauer angehört. In einem ausführlichen Thread veröffentlichte er seine Eindrücke von dem Interview und wie diese von den Eindrücken abwichen, die der Beitrag in der BILD vermittelten. Mehr und mehr stellte sich heraus, dass die von der BILD zitierten Aussagen von Thuram entweder gar nicht oder jedenfalls nicht so geäußert wurden. In einer knapp 40-minütigen Podcast-Folge von vollraute, nahm dann auch Ibrahima Traoré ausführlich zu dem Beitrag und den dort veröffentlichten Zitaten Stellung. Am Ende dieser Podcast-Folge dürfte klar sein, eine Abrechnung von Thuram mit seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach gab es nicht. In diese Richtung hat auch Gladbachlive die Podcast-Folge von vollraute eingeordnet. Die von der BILD veröffentlichten Aussagen wurden in einem Kontext getroffen, den die BILD für ihren Beitrag aber dem Leser offenbar unterschlagen hat. Die Überschrift zum Beitrag hätte besser lauten sollen:

„BILD rechnet mit Gladbach-Stürmer ab“.

Aber wie sind solche falschen Zitate rechtlich zu bewerten und was könnte Marcus Thuram dagegen machen?

Falsche Zitate stellen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar

Falsche Zitate, die der Wahrheit nicht entsprechen, weil die „zitierten“ Aussagen entweder nie oder jedenfalls nicht so geäußert wurden – sind vom Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 GG nicht erfasst. Falsche Zitate sind gerade nicht geeignet, einer zutreffenden Meinungsbildung Dritter zu dienen und damit den Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft insgesamt zu fördern. Wahrheitswidrige Aussagen bilden daher kein schützenswertes Gut. Es existiert folgerichtig dann auch kein schutzwürdiges Interesse daran, falsche Zitate aufrechtzuerhalten oder zu verbreiten. Aber auch verfälschte, aus dem Zusammenhang gerissene oder entstellte Zitate stellen keine schützenswerte Meinungsäußerung, sondern eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Falschzitate verletzten in der Konsequenz das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. So führte das Landgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 05.12.2019 – 2-03 O 194/19; bestätigt durch das OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.04.2020 – 16 U 9/20) in einem prominenten Fall um die Politikerin Renate Künast wörtlich aus:

„Es ist insofern anerkannt, dass es als persönlichkeitsrechtsverletzend anzusehen ist, einer Person per Zitat eine Äußerung unterzuschieben, die sie gar nicht getätigt hat. Die Zuordnung einer bestimmten Aussage zu einer bestimmten Person in der Form des wörtlichen Zitats enthält die jedenfalls inzidente Behauptung, der Zitierte habe sich so geäußert, wie er zitiert wird (BGH ZUM 2011, 908 – Das Prinzip Arche Noah; BVerfG ZUM 2013, 122 – Das Prinzip Arche Noah; Soehring/Hoene, aaO., § 16 Rn. 96). An die Genauigkeit von Zitaten werden hohe Anforderungen gestellt. Dies betrifft auch den Kontext, in den der zitierte Satz oder Satzteil gestellt wird (Soehring/Hoene, aaO., § 16 Rn. 96). Zulässig kann ein Zitat sein, wenn es ein zutreffendes Bild von der Aussage des Zitierten zeichnet (BGH ZUM 2011, 908; Soehring/Hoene, aaO., § 16 Rn. 97). Wesentlich kann aber insoweit auch eine angebliche besondere Wortwahl des Betroffenen sein, zumal er als »Zeuge gegen sich selbst« angeführt wird (vgl. BVerfG NJW 1993, 2925 [2926]).“

Wann liegt ein falsches Zitat vor?

Dabei kann ein falsches Zitat darin liegen, dass eine Aussage völlig frei erfunden wird. Ein falsches Zitat liegt aber auch dann vor, wenn der Wortlaut des Zitats von dem tatsächlich Geschrieben oder Gesagten abweicht, ohne dass ein besonderes Maß inhaltlicher Abweichung notwendig ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist also nicht nur bei ausdrücklich falschen Zitaten verletzt, sondern auch bei unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Dieser weite Schutz ist auch gerechtfertigt, denn niemand muss es dulden, Aussagen gegen sich gelten lassen zu müssen, die er nicht oder nicht in dieser Form getätigt hat. Daher sind auch an den Wahrheitsgehalt, die Authentizität und die Genauigkeit von behaupteten Zitaten hohe Anforderungen zu stellen (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 05.12.2019 – 2-03 O 194/19). Ist eine Aussage mehrdeutig, muss die eigene Meinung des Zitierenden durch einen Interpretationsvorbehalt kenntlich gemacht werden, sodass dem Leser unmittelbar klar wird, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt (BGH Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 262/09).

Auch der Bedeutungsgehalt einer Aussage darf nicht verändert werden, anderenfalls kann dies zu einem falschen, ehrverletzenden Zitat führen. Auch der Kontext, in dem die zitierte Äußerung tatsächlich getroffen wurde, ist für die Bewertung der Frage, ob ein falsches Zitat vorliegt, relevant. Wird eine Äußerungen in einem bestimmten Kontext getroffen und wird sie mit dem Zitat in einen gänzlich neuen Kontext gesetzt, kann hierdurch der Bedeutungsgehalt der ursprünglichen Aussage verändert, wenn nicht sogar ins Gegenteil verkehrt werden.
So führte das Landgericht Köln (Urt. v. 15.3.2017 – 28 O 324/16) hierzu aus:

„Nach Auffassung der Kammer handelt es sich in beiden Fällen um ein Falschzitat. Obgleich der wiedergegebene Wortlaut der Aussagen des Klägers zutreffend ist, ist seine Äußerung jeweils durch das Weglassen einer nachfolgenden Passage aus dem Zusammenhang gerissen und damit insgesamt sinnentstellend wiedergegeben worden, sodass die konkret wiedergegebene Äußerung nicht dem entspricht, was der Verfügungskläger zum Ausdruck gebracht hat.“

Der Leser kann eine zitierte Aussage nur dann zutreffend bewerten und sich eine Meinung darüber bilden, wenn ihm auch der dazugehörige Kontext mitgeteilt wird. Hierzu hatte das LG Berlin (Urt. v. 13.12.2018 – 27 O 227/18) bereits treffend festgestellt:

„[…] Grundsätzlich stellt die Rechtsprechung an die Authentizität und Genauigkeit von Zitaten hohe Anforderungen. Sie sind nur zulässig, wenn sie dem Leser unter Einschluss des Kontexts ein zutreffendes Bild von der Aussage des Zitierten zeichnen. Maßgebend für die Feststellung der Frage, ob eine Äußerung zutreffend wiedergegeben wurde oder nicht, ist dabei nicht das vertretbare Verständnis eines Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, sondern das, was der Zitierte gemessen an seiner Wortwahl, dem Kontext seiner Gedankenführung und dem darin erkennbar gemachten Anliegen zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH VersR 1983, 1155, 1156 f. – Rudimente der Fäulnis; ZUM 1998, 569; ZUM 2006, 321; BVerfGE 54, 208, 217). Denn andernfalls würde dem Zitierten die Entscheidung über sein eigenes Wort weitgehend genommen und durch eine mögliche Beurteilung Dritter ersetzt, in der seine Äußerung eine andere Färbung oder Tendenz erhalten kann, als der Zitierte sie zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH VersR 1983, 1155; BVerfGE 54, 208, 217; BGH ZUM 2011, 908). Unzulässig ist es stets, einer Person Äußerungen unterzuschieben, die sie nicht, nicht so oder nicht in dem Zusammenhang getan hat, in dem sie sich veröffentlicht wiederfinden. Dies gilt sowohl bei wörtlichen Zitaten als auch bei Zitaten in indirekter Rede (Soehring, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 16 Rn. 52 m. w. N.). Die bloße Möglichkeit, dass dem Leser durch die Art des Zitats ein falscher Eindruck über die ursprüngliche Aussage des Zitierten vermittelt wird, reicht bereits aus (Soehring, aaO.).“

Wie ist der Beitrag über Marcus Thuram zu bewerten?

Geht man von diesen Wertungen der Rechtsprechung aus, liegen in dem Beitrag der BILD mehrere falsche Zitate vor, die sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Marcus Thuram als auch das von Ibrahima Traoré verletzen. Wie Ibrahima Traoré in dem Podcast von vollraute deutlich gemacht hatte, war bereits der Gesamtkontext des ursprünglichen Interviews im Sport News Africa Podcast von der BILD unzutreffend dargestellt worden. Während sich die beiden Spieler am Ende einer Saison zu einem Interview trafen, um gemeinsam Spaß zu haben, machte die BILD hieraus sodann eine Abrechnung von Marcus Thuram mit dem Verein. Eine solche Abrechnung gab es nie. In der Podcast-Folge von Sport News Africa ging es nie darum, schlecht über den Verein Borussia Mönchengladbach zu reden. Dieser Vorwurf sei laut Ibrahima Traoré auch nicht nachvollziehbar. Er habe sieben Jahre für den Verein gespielt und sei bis heute der größte Fan. Vielmehr hätten sich zwei Freunde getroffen, um Witze über alles und jeden zu machen, selbst über sich selbst.

Der von Ibrahima Traoré gezeichnete Gesamtkontext ist allerdings wichtig, um auch die einzelnen Aussagen, die von der BILD zitiert wurden, richtig einordnen zu können. Der BILD-Journalist nimmt die einzelnen Aussagen allerdings, und schreibt um diese eine ganz eigene Geschichte, nämlich von einem unzufriedenen Marcus Thuram, dem auch die Einsicht fehle, selbstkritisch mit sich zu sein. Auch von einem zerrütteten Verhältnis zum Ex-Trainer Adi Hütter ist die Rede. Auch in diesem Zusammenhang wird eine Aussage über Hütter zitiert, die Thuram so nicht getroffen hat.

Hört man Ibrahima Traoré im vollraute-Podcast aufmerksam zu, stellt man zudem fest, dass die BILD es sogar schaffte, Aussagen, die Ibrahima Traoré getroffen hatte, als Zitate von Marcus Thuram wiederzugeben.

Wenn Klicks wichtiger sind als Sorgfalt

Man fragt sich, welche Intention dahintersteckt, dass ein Journalist einen solchen Beitrag schreibt. Man darf unterstellen, dass der BILD durchaus bewusst ist, welche Wirkung ein solcher Beitrag bei den Lesern hat. Es darf auch bei der BILD als bekannt unterstellt werden, dass Marcus Thuram aufgrund seiner Spuck-Attacke bei einem großen Teil der Anhänger der Borussia einen schweren Stand hat. Es ist also naheliegend, dass die verfälschte Wiedergabe von an sich harmlosen Aussagen allein dazu dienen sollte, einen gut klickbaren Beitrag zu veröffentlichen. Das hat man ohne Frage geschafft.

Hätte man aber einen ausgewogenen Beitrag schreiben und veröffentlichen wollen, wäre es hingegen naheliegend gewesen, die beiden Spieler vor der Veröffentlichung des Beitrages zu kontaktieren und um eine Stellungnahme zu bitten. Das ist allerdings nach der Aussage von Ibrahima Traoré im vollraute-Podcast nicht geschehen. Im Rahmen einer solchen Anfrage hätte sich der Kontext der getroffenen Aussagen sicher schnell geklärt und der „Journalist“ hätte ebenso schnell gemerkt, dass die getroffenen Aussagen keinen eigenen Beitrag wert gewesen wären. So entschied man sich aber offenbar dazu, das nicht zu tun. Man entschied sich lieber dazu, Aussagen in einen Kontext zu setzen, den es offenbar nicht gab und einen immer noch jungen Spieler so mit falschen Zitaten in die Öffentlichkeit zu ziehen.

Man kann Marcus Thuram nur raten, gegen den Beitrag rechtlich vorzugehen, denn niemand muss es dulden, durch falsche Zitate gegenüber der Öffentlichkeit in ein solch schlechtes Licht gerückt zu werden.