Über den Tod macht man keine Witze. Sagt man. Ob das so sein sollte, muss jeder für sich selber entscheiden. Ein unverkrampfter Umgang mit schwierigen Themen würde vielen derzeit verbissen geführte Debatten sicher gut tun. Unter dem Namen „Hin & Weg Bestattungen“ bricht ein Künstler auf Instagram und Twitter mit dem vermeintlichen Dogma, dass man über den Tod keine Witze machen dürfe.

So veröffentlichte der Künstler auf Twitter anlässlich der bevorstehenden Neuwahlen in Berlin einen Beitrag mit dem Slogan „Liebe Berliner, bei uns müssen Sie nur einmal zur Urnenwahl!“. Als die Maskenpflicht im ÖPNV bundesweit aufgehoben wurde, veröffentlichte er einen Beitrag mit dem Slogan „Ab dem 01. Februar Keine Maske! Endlich frei! Ansteckung Juhu“! Jetzt mitfeiern 20% auf die Bestattungsvorsorge.“. Mit diesen und zahlreichen weiteren Beiträgen übt der Künstler – immer eingekleidet als Werbung für ein fiktives Bestattungsunternehmen – Kritik an aktuellen gesellschaftlichen Ereignissen.   

In der aktuellen Staffel von Deutschland sucht den Superstar hatte Dieter Bohlen nach einer vergleichsweise kurzen Auszeit sein Comeback als Moderator. Kaum war er wieder da, ließen die Schlagzeilen zu der Sendung wegen (angeblicher) Skandale nicht lange auf sich warten. Auch das griff der Künstler auf und veröffentlichte einen entsprechenden Beitrag:

Screenshot 

Mit den Hashtags #DSDS #recall ließ ein Dietrich Bohler in diesem Beitrag wissen „Ich wähle Camp Deadid – Das Bestattungspaket für Gewinnertypen, die schon lange über ihrer Zeit sind“.

Die zuvor zitierten Beiträge zu den Neuwahlen in Berlin und zum Ende der Maskenpflicht im ÖPNV kann man entweder gut oder schlecht, lustig oder nicht lustig finden. Eine Verletzung von Rechten Dritter wird man dort aber nicht sehen können. Wie ist es aber in dem Fall von Dietrich Bohler? Handelt es sich hierbei um eine harmlose Satire oder doch um eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Dieter Bohlen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich erstmal fragen, wann überhaupt Satire vorliegt und was man sich im Rahmen von Satire als Künstler alles erlauben kann und wo die Grenzen sind.   

Was ist eigentlich Satire?

Sucht man im Internet nach einer Definition von Satire, erhält man unter anderem den Hinweis auf eine „humorvoll kritisierende Schreibweise oder Textart, die in verschiedensten medialen Formen auftritt“. Satire wird also als Stilmittel verstanden, mit dem in überspitzter Form Kritik an Personen, Verhaltensweisen oder gesellschaftlichen Ereignissen geübt wird.

Die Rechtsprechung tut sich hingegen schwerer mit einer einheitlichen Definition von Satire. Gleichwohl lassen sich bestimmte, satiretypische Merkmale bestimmen, um auf diese Weise den Begriff näher einzugrenzen. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das wesensmäßige Merkmal der Satire, mit Verfremdungen, Verzerrungen und Übertreibungen zu arbeiten (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1997 – 1 BvR 2000/96). Satire dient zudem dazu, eine Meinung und eine Kritik an dem Verhalten einer anderen Person zu äußern (BGH, Urt. v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99). Auch soll sie in aggressiver Form Missstände anprangern und Widersprüche zwischen Anspruch und Realität aufdecken (LG München I, Beschl. v. 14.11.2022 – 25 O 12738/22).

Bei Satire kann es sich zudem um einen Ausdruck von Kunst handeln oder um eine Meinungsäußerung. Das Bundesverfassungsgericht stellt hierzu regelmäßig klar, dass Satire zwar Kunst sein könne, aber nicht jede Satire zugleich auch Kunst ist (BVerfG, Beschl. v. 10.7.2002 – 1 BvR 354/98). Damit will es zum Ausdruck bringen, dass Satire nicht stets von der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG geschützt wird. Ist der Schutzbereich der Kunstfreiheit im Einzelfall nicht eröffnet, kann es sich gleichwohl um eine Meinung handeln, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG fall kann. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen kann sich Satire also entweder auf die Kunstfreiheit oder auf die Meinungsfreiheit stützen.

Darf Satire alles?

Weil Satire sich in zugespitzter Form kritisch mit dem Verhalten anderer Personen auseinandersetzt, kommt es zwangsläufig zu einer Kollision verschiedener Rechtspositionen. So ist insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der kritisierten Person berührt. Wird die kritisierte Person zudem bildlich dargestellt, sind auch die Rechte am eigenen Bild dieser Person betroffen. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn für die Darstellung der kritisierten Person ein Double eingesetzt wird. Dass die Persönlichkeitsrechte der kritisierten Person berührt werden, macht Satire allerdings noch nicht unzulässig. Das gilt vor allem dort, wo lediglich die Sozialsphäre der kritisierten Person betroffen ist und/oder es sich bei dieser um eine berühmte Persönlichkeit (Politiker, Sänger, Schauspieler oder ähnliches) handelt.

Im Ergebnis findet Satire ihre Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit aber vor allem immer dort, wo die Grenze der Beleidigung oder der bloßen Schmähung des Betroffenen überschritten ist. Satire stellt dabei immer dann eine Beleidung dar, wenn ihr einziges Ziel der Angriff auf die persönliche Ehre des Betroffenen ist. Schmähkritik ist hingegen eine Äußerung über den Betroffenen, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache im Vordergrund steht, sondern die bloße Diffamierung der Person. Wird Schmähkritik festgestellt, tritt im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Meinungs- oder Kunstfreiheit hinter dem Ehrschutz zurück (hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 19.2.2019 – 1 BvR 1954/17).

Im Übrigen muss nach der Rechtsprechung bei der rechtlichen Bewertung von Satire zwischen dem Aussagekern und der Einkleidung der Aussage unterschieden werden. Der BGH führt hierzu in seiner Entscheidung „Die Anstalt“ (Urt. v. 10.1.2017 – VI ZR 562/15) wie folgt aus:

„Wird die beanstandete Äußerung im Rahmen eines satirischen Beitrags getätigt, ist sie zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu befreien (vgl. SenatBGHZ 143, 199 [209] = NJW 2000, 1036; BVerfGE 75, 369 [377 f.] = NJW 1987, 2661; BVerfGE 81, 278 [294] = NJW 1990, 1982; BVerfGE 86, 1 [12] = GRUR 1992, 471 – geb. Mörder; BVerfG, NJW 1998, 1386 [1387]; BVerfG, AfP 2005, 171 [172]). Aussagekern und Einkleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wobei die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung anders und weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns (SenatBGHZ 143, 199 [209] = NJW 2000, 1036 mwN; BVerfGE 75, 369 [378] = NJW 1987, 2661; BVerfGE 81, 278 [294] = NJW 1990, 1982; BVerfG, NJW 1998, 1386 [1387]). Enthält der satirische Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie also für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei tatsächlich wahr (vgl. BVerfG, AfP 2005, 171 [173]).“

Es muss also zunächst der Aussagekern erfasst und daraufhin überprüft werden, ob in diesem eine Schmähung liegt oder eine wahre Tatsachenbehauptung. Sodann ist die Einkleidung der Aussage (also die gewählte Form) gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Hierbei ist allerdings zugunsten der Äußerung zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung ein weniger strenger Maßstab anzulegen ist, weil es gerade das Wesen von Satire ist, mit einer Verfremdung und Verzerrung zu arbeiten.

Enthält der satirische Beitrag zudem eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung handelt.

So hatte beispielsweise das Landgericht Mannheim eine Klage auf Unterlassung gegen ein Michael Jackson Double zurückgewiesen. Die Nachlassverwalter des verstorbenen Musikers wollten auf diesem Wege eine Veranstaltung des Doubles untersagen. Begründet hatte das Landgericht seine Entscheidung unter anderem damit, es habe sich bei der Performance des Doubles um die Illusion einer Konzertveranstaltung mit Band und Tanzdarbietungen gehandelt, wobei allein in der Zusammenstellung und Auswahl der Darbietung bereits eine freie schöpferische Gestaltung liege, mit der Folge, dass sich das Double auf die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen könne. Die Interessen des Doubles überwiegen das postmortale Persönlichkeitsrecht sodann umso mehr, wenn für Dritte erkennbar sei, dass es sich  um eine künstlerische Imitation handelt, wenn also erkennbar ist, dass es sich hierbei nicht wirklich um (den verstorbenen) Michael Jackson handelt.

Anders hatte erst kürzlich das Landgericht Hamburg entschieden (Beschl. v. 3.1.2023 – 324 O 513/22). Hintergrund war ein Beitrag von Jan Böhmermann. In seiner Sendung hatte er ein Fahndungsfoto veröffentlicht, welches eine bewusste Ähnlichkeit zu den damaligen RAF-Fahndungsfotos aufwies. Abgebildet wurden allerdings aktuelle Persönlichkeiten. Hinsichtlich des Antragstellers wurde allerdings gerade kein Bild des Antragstellers selbst veröffentlicht, sondern das des Schauspielers, der im Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ den Antragsteller gespielt hatte. Hiergegen wendete sich der Antragsteller erfolgreich.

Das Landgericht Hamburg führte hierzu zunächst aus:

„Einer Satire sind die Stilmittel der Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung wesenseigen. Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit einen besonderen Schutz genießt, ist aber, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung erkennt, so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit auch dann kein schützenswertes Gut, wenn die Information in einem satirischen Kontext erfolgt (Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8.09.2015 - 7 U 121/14 -, Rn. 24).

Nach diesem Maßstab gelangt ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum des vorliegenden Fernsehbeitrags auch unter Berücksichtigung des satirischen Inhalts des Beitrags zu dem unwahren Verständnis, dass das Bildnis den Antragsteller darstelle.“

Ob ein satirischer Beitrag die Persönlichkeitsrechte der kritisierten Person verletzt, ist also stets in jedem Einzelfall neu zu bewerten.

Und wie ist es nun mit Hin & Weg?

Der oben dargestellte Tweet über Dietrich Bohler kann als Satire im beschriebenen Sinne verstanden werden. Der Beitrag setzt sich inhaltlich mit der allgemein bekannten Werbepartnerschaft zwischen Dieter Bohlen und der Marke Camp David auseinander. Dabei wird kritisiert, dass die Marke bei nahezu jeder Gelegenheit werbewirksam präsentiert wird, egal in welchem Kontext Dieter Bohlen medial auftritt. Hierin ist weder eine Beileidung noch eine Schmähkritik zu sehen, denn hier steht nicht im Vordergrund, die kritisierte Person unsachlich herabzuwürdigen.

Eingekleidet ist diese Aussage in ein fiktives Werbeplakat mit einer Person, die offensichtlich nicht Dieter Bohlen ist. Dass es sich hierbei gerade nicht um Dieter Bohlen selbst handelt, wird noch einmal dadurch verstärkt, dass die fiktive Person als Dietrich Bohler bezeichnet wird. Auch die Marke Camp David wird nicht direkt genannt, sondern durch die ebenfalls fiktive Marke Camp Deadid ersetzt. Dieser fiktive Markenname dient ebenfalls nicht der Verunglimpfung der Person Dieter Bohlen oder der Marke Camp David, denn der Bezug zum Tod ergibt sich lediglich daraus, dass der Künstler hier im Gewand eines fiktiven Bestattungsunternehmens agiert. Sämtliche Social Media Beiträge des Künstlers zielen darauf ab, durch den humoristischen Umgang mit dem Tod eine hohe Aufmerksamkeit zu erreichen, um so der geäußerten Kritik die notwendige Reichweite zu verschaffen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass es der Markenkern von Dieter Bohlen in der Sendung war und ist, durch zum Teil grenzüberschreitende Aussagen über Teilnehmer zu polarisieren. Wer öffentlich in dieser Form austeilt, muss hinsichtlich seiner eigenen Person sicherlich einiges mehr einstecken können, als es für gewöhnlich üblich ist.

 

Unterstützung vom Anwalt für Medienrecht erforderlich? 

Sprechen Sie mich an und erfahren Sie mehr zu unseren Konditionen. Als Anwalt für Social Media Recht in Düsseldorf unterstütze ich Sie gerne. Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt auf. 

Weitere interessante Beiträge zum Medienrecht: