Das entschied das LG Frankfurt am Main (Urt. v. 14.12.2022 – 2-03 O 325/22) in einem Verfahren, das im Vorfeld hohe mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Konkret geht es um den Anspruch eines Nutzers gegen die Social Media Plattform Twitter,  Beiträge Dritter, die sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen, löschen zu lassen. Damit hat das Gericht noch einmal bekräftigt, dass Betroffene von Beleidigungen oder unwahren Behauptungen über sich, einen direkten Anspruch gegen den Plattformbetreiber auf Entfernung dieser Beiträge haben. Damit muss auch Twitter rechtsverletzende Beiträge löschen. Das ist insofern wichtig – aber nicht neu – weil die Verfasser dieser Beiträge in der Regel anonym bleiben und für eine Inanspruchnahme nicht greifbar sind.

Nicht nur identische Beiträge sind von Twitter zu löschen

Aber der Betroffene hat nicht nur einen Anspruch auf Löschung identischer Beiträge. Er kann auch sinngemäße Beiträge von dem Plattformbetreiber entfernen lassen. In der veröffentlichten Pressemitteilung des Landgericht Frankfurts (2-03 O 325/22) heißt es hierzu:

„Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“

Das Gericht ist dabei der Auffassung, dass den Plattformbetreibern, also auch Twitter das auch zuzumuten sei. In der Pressemittelung heißt es hierzu wörtlich:

„Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.“

Landgericht Frankfurt bestätigt eigene Rechtsprechung

Mit dieser Entscheidung bekräftigt die Kammer allerdings das, was sie bereits im Fall von Renate Künast (Urteil vom 08.04.2022 – 2-03 O 188/21) entschieden hatte. Denn auch dort wurde der Plattformbetreiber (hier: Facebook bzw. meta) verurteilt, nicht nur identische, sondern auch kerngleiche Inhalte nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen. Der Tenor lautete dort (auszugsweise) bereits:

„a) identischen Inhalte auf der Plattform www.facebook.com öffentlich zugänglich machen zu lassen, und

b) kerngleichen Inhalte auf der Plattform www.facebook.com öffentlich zugänglich machen zu lassen,“

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH führte das Landgericht Frankfurt hierzu unter anderem wörtlich aus:

„Diese Verpflichtung steht auch im Einklang mit dem Europarecht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 03.10.2019 (C-18/18 - Glawischnig-Piesczek) ausdrücklich klargestellt, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, einem Hosting-Anbieter „Überwachungspflichten in spezifischen Fällen“ aufzuerlegen und „die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen.“ Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordert diese Verpflichtung keine europarechtswidrige „autonome Beurteilung“ der Rechtswidrigkeit der Verbreitung des Falschzitats. Diese ist bereits durch das hiesige Urteil festgestellt.“

In diesem Punkt dürfte die aktuelle Entscheidung also keine bahnbrechende Neuerung darstellen, wie auch die ersten Reaktionen von geschätzten Kollegen auf Twitter zeigen:

Lucas Brost: https://twitter.com/LucasBrost/status/1602986513838608384?s=20&t=luFxnCT5z8HU-VQpURw26A 

Mirko Brüß: https://twitter.com/thebruess/status/1602984021683830790?s=20&t=luFxnCT5z8HU-VQpURw26A 

Robert Briske: https://twitter.com/BriskeRobert/status/1602987244633358336?s=20&t=luFxnCT5z8HU-VQpURw26A.

Gleichwohl ist die Entscheidung zu begrüßen, denn sie stärkt die Rechte der Betroffenen. Die Gerichte stellen damit zumindest ein wenig ein Gleichgewicht her zwischen den einzelnen Nutzern und den übergroßen Social Media Plattformen. Was allerdings weiterhin fehlt, um den Rechtschutz für die Nutzer noch effektiver ausgestalten zu können, ist eine gesetzliche Pflicht der Plattformbetreibern zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Denn das beste Urteil hilft einem Nutzer wenig, wenn es mangels Zustellung nicht zeitnah vollstreckt werden kann.

Nicht nur Twitter soll konsequenter gegen Hate Speech vorgehen

Was passieren kann, wenn Social Media Plattformen nicht gegen kritische und rechtsverletzende Beiträge vorgehen, zeigt eine Klage gegen Meta.  Meta wird beschuldigt, auf ihrer Plattform Facebook nicht konsequent gegen hasserfüllte Beiträge vorgegangen zu sein und dadurch den Bürgerkrieg in Kenia angeheizt zu haben. Die Kläger fordern einen Entschädigungsfond für die Betroffenen sowie die Aufstockung des Personals für die Content Moderation. Die WirtschaftsWoche schreibt hierzu unter anderem:

"Die Klage bezog sich auf Facebook-Beiträge, die im Oktober 2021 veröffentlicht wurden und in denen der Vater einer der Kläger mit ethnischen Begriffen bezeichnet wurde. In den Beiträgen wurde die Adresse des älteren Mannes genannt und sein Tod gefordert. Facebook hätte sich trotz Hinweise auf die Beiträge geweigert, sie umgehend oder in einigen Fällen überhaupt zu entfernen, heißt es in der Klage weiter."

Ob die Kläger mit ihrer Klage durchdringen werden, bleibt abzuwarten. Der Fall verdeutlicht aber einmal mehr, welchen Einfluss große Social Media Plattformen wie Twitter, Facebook oder TikTok auf unsere Gesellschaft haben können. 

Das Landgericht Frankfurt und HateAid habent hierzu heute auch jeweils eine eigene Pressemitteilung veröffentlicht:

Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet | Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen

Pressemitteilung von HateAid

Auswahl an aktuellen Meldungen zu diesem Fall:

Landgericht Frankfurt: Twitter muss stärker gegen illegale Inhalte vorgehen | ZEIT ONLINE

Gericht: Twitter muss bei Entfernung illegaler Inhalte nachbessern (faz.net)

Gerichtsurteil: Twitter muss falsche oder beleidigende Tweets löschen – und mehr (t3n.de)

Urteil des Landgerichts Frankfurt: Twitter muss Beleidigungen und Fake News löschen | hessenschau.de | Gesellschaft

LG: Twitter muss ehrverletzende Tweets löschen (lto.de)

Hassrede: Landgericht Frankfurt verurteilt Twitter zu strengerem Vorgehen (handelsblatt.com)

Beitrag zu Account Sperren:

Was tun, wenn der Social Media Account gesperrt wurde?

 

Unterstützung vom Anwalt erforderlich? TikTok-Account gesperrt?

Wurde Ihr Social Media Account gesperrt? Egal ob Twitter, Facebook, Instagrem, LinkedIn, TikTok oder YouTube, als spezialisierte Rechtsanwälte für Social Media Recht unterstützen wir Sie bei der Freischaltung Ihres Social Media Accounts. 

Unsere Leistungen bei unberechtigten Sperren von Social Media Accounts:

  • Prüfung und Beratung, ob und wie gegen die Sperrung Ihres Accounts vorgegangen werden kann
  • Außergerichtliches Vorgehen gegen den Plattformbetreiber
  • Gerichtliche Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen den Plattformbetreiber

Sprechen Sie mich an und erfahren Sie mehr zu unseren Konditionen. Als Anwalt für Social Media Recht in Düsseldorf unterstütze ich Sie gerne. Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt auf.