Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (kurz HBDI) hat kürzlich seinen 51. Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022 veröffentlicht. Im Rahmen dieses Tätigkeitsberichtes nimmt das Thema "datenschutzkonformes E-Mail-Marketing" vergleichsweise großen Raum ein. Allein zu diesem Themenbereich enthält der Bericht drei Sachverhalte zu Beanstandungsverfahren des HBDI. Dabei geht es zum einen um die hohen Hürden bei der E-Mail-Werbung gegenüber Bestandskunden und zum anderen um die Einordnung von Grußnachrichten per E-Mail als Werbung. Interessant ist allerdings der Bericht über die Reichweite und die Dauer eines einmal erteilten Werbewiderspruchs nach Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO.

HBDI: "Ein Widerspruch gegen Werbung hat kein Haltbarkeitsdatum"

Überschrieben ist dieser Bericht (zu finden auf den Seiten 177 ff. des Tätigkeitsberichts) mit "Ein Widerspruch gegen Werbung hat kein Haltbarkeitsdatum!". Gemeint ist hiermit die Ansicht des HBDI, dass der einmal erklärte Widerspruch einer betroffenen Personen solange gilt, bis die betroffene Person diesen Widerspruch (ausdrücklich) widerrufen hat. Der einmal erklärte Widerspruch erlischt somit nicht durch Zeitablauf. Nach Ansicht des HBDI erlischt er auch nicht (konkludent) dadurch, dass die betroffene Person erneut bei dem Unternehmen einen Vertrag über Waren oder Dienstleistungen abschließt, ohne zugleich erneut in den Erhalt von Werbemails zuzustimmen. So führt der HBDI hierzu aus:

Nach Art. 21 Abs. 2 DS-GVO können Betroffene der Verwendung ihrer Daten zu Werbezwecken widersprechen (Werbe-Widerspruch gegen Direktwerbung). Art. 21 Abs. 3 DS-GVO gibt vor, dass personenbezogene Daten dann nicht mehr zu solchen Zwecken verarbeitet werden dürfen. Ein erneuter Kauf eines Produktes nach Einlegen des Werbewiderspruchs macht diesen nicht unwirksam. Die Wirksamkeit des Widerspruchs hängt auch nicht vom für den jeweiligen Kauf benutzten Vertriebsweg oder dem dahinterstehenden technischen System ab. Die Technik hat sich am Menschen zu orientieren und nicht umgekehrt. Ein einmal gegenüber einem Verantwortlichen eingelegter Werbewiderspruch gilt immer so lange, bis er von der betroffenen Person widerrufen wird.

Hintergrund dieser Feststellung des HBDI war die Praxis eines Unternehmens, das Kunden in seinen AGB darüber informierte, dass ein eingelegter Werbewiderspruch durch den erneuten Kauf eines Produktes aufgehoben würde. Nach jedem Kauf müsse also erneut ein Werbewiderspruch eingelegt werden, um eine Verwendung der Kundendaten für Werbezwecke nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO zu verhindern. Vermutlich steht dieses Unternehmen mit dieser Praxis nicht alleine da und zahlreiche weitere Unternehmen stützen eine werbliche Ansprache - trotz eines Widerspruches - nach einem erneuten Kauf auf § 7 Abs. 3 UWG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO (Bestandskundenprivileg). Allerdings dürfte - anders als das Unternehmen aus dem Tätigkeitsbericht - diese Praxis nicht so transparent in ihren AGB kommunizieren, sondern einfach umsetzen; vermutlich, ohne sich weiter über die datenschutzrechtliche Zulässigkeit Gedanken zu machen.  

 

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Praktische Folgen und Risiken nach einem Widerspruch

Der HBDI stellte in seinem Tätigkeitsbericht fest, dass der Widerspruch nicht durch Abschluss eines neuen Vertrages wieder aufgehoben werde und die AGB daher nicht im Einklang mit den Vorgaben des Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO stünden. Wörtlich heißt es in dem Tätigkeitsbericht hierzu:

Ich habe das Unternehmen darauf hingewiesen, dass seine AGB-Informationen und seine darauf basierenden Datenverarbeitungen zu Werbezwecken nicht mit den Vorgaben des Art. 21 Abs. 2 und 3 DS-GVO übereinstimmen und Werbewidersprüche keine Gültigkeitsbegrenzung haben. Insbesondere hebt ein Vertrag über einen Produktkauf die Wirksamkeit des in Anspruch genommenen gesetzlichen Betroffenenrechtes nicht auf.

Dieser Ansicht des HBDI ist zustimmen, denn bereits der Wortlaut von Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO sehen nicht vor, dass der erklärte Widerspruch zeitlich befristet sein soll. Eine nur zeitlich befristete Wirkung des Widerspruchsrechts würde auch dem Sinn und Zweck dieses Betroffenenrechts widersprechen, denn die Daten sollen einem mit Wirkung für die Zukunft geltenden Verarbeitungsverbot unterliegen (Sydow/Marsch DSGVO/BDSG/Helfrich DSGVO Art. 21 Rn. 85). Der Betroffene hat damit einen unmittelbaren, auf den Werbezweck beschränkten Unterlassungsanspruch gegenüber dem werbenden Unternehmen (Ehmann/Selmayr/Kamann/Braun DSGVO Art. 21 Rn. 55). 

Erlischt die Wirkung des Widerspruchs nicht durch Zeitablauf, kann sich das Unternehmen für eine werbliche Ansprache auch nicht auf das Bestandskundenprivileg aus § 7 Abs. 3 UWG berufen, wenn der Betroffen nach Erklärung seines Widerspruchs erneut bei dem Unternehmen ein Produkt kauft. Vielmehr wirkt der Widerspruch auch über den nächsten Vertragsschluss hinaus (so Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, Recht der elektronischen Medien, UWG, § 7, Rn. 217). Denn damit sich das Unternehmen auf die Ausnahmevorschrift in § 7 Abs. 3 UWG berufen kann, müssen kumulativ sämtliche Voraussetzungen der Nummern 1 bis 4 erfüllt sein. Hieran fehlt es allerdings dann, wenn der Kunde von seinem Widerspruchsrecht aus Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO Gebrauch gemacht hat. § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG sieht nämlich vor, dass eine Direktwerbung per E-Mail nur zulässig ist, wenn der Verbraucher der Verwendung seiner E-Mail für diese Zwecke nicht widersprochen hat. 

Allerdings schließt ein Widerspruch eine Werbung nur an die Adresse aus, deren weiterer Verwendung für Werbezwecke widersprochen wurde, während die Werbung an weitere E-Mail-Adressen des Verbrauchers, welche dieser dem Unternehmen ebenfalls zur Verfügung gestellt hat, zulässig bleibt (BeckOK UWG/Fritzsche UWG § 7 Rn. 178; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 7 Rn. 276; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, Recht der elektronischen Medien, UWG, § 7, Rn. 218; a.A. wohl jurisPK Internetrecht/Paschke, Kap. 4.5, Rn. 337 ff. unter Hinweis auf AG BonnUrteil vom 01.08.2017 - 104 C 148/17). So hatte das Kammergericht (Urt. v. 31.1.2017 - 5 U 63/16) hierzu festgestellt:

Demzufolge kann ein Widerspruch des Verbrauchers gegen die Verwendung seiner E-Mail-Adresse unter web.de nicht zur Folge haben, dass Werbung an eine weitere, aber im Widerspruch nicht genannte Adresse des widersprechenden Kunden unter gmx.de nunmehr unzulässig ist, obwohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG in Bezug auf diese Adresse auf Grund eines anderen Vorgangs erfüllt waren.

Gibt der Kunde allerdings klar zu erkennen, dass sein Widerspruch sich auf alle Adressen bezieht, die er dem Unternehmen zur Verfügung gestellt hat, dann liegen die Voraussetzungen von § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht vor und eine Werbung ist zu unterlassen (BeckOK UWG/Fritzsche UWG § 7 Rn. 178). Unklar ist allerdings, ob sich das auch auf solche Adressen bezieht, die der Verbraucher dem Unternehmen in der Vergangenheit noch nicht zur Verfügung gestellt hat und erstmalig im Rahmen eines weiteren Geschäftsabschluss an das Unternehmen übermittelt. Für die Ansicht, dass eine solche Adresse nicht vom Widerspruch erfasst sein könnte spricht, dass das Unternehmen mangels Kenntnis von dieser Adresse diese nicht in eine Sperrliste aufnehmen kann. Das Unternehmen liefe sehenden Auges in einen Verstoß, würde sich ein Widerspruch auch auf solche Adressen beziehen, die sich der Verbraucher in der Zukunft einmal anlegt, um beim Unternehmen erneut ein Geschäft abzuschließen. Zudem würde das den Missbrauch Tür und Tor öffnen. Auch der Wortlaut von Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO sprechen dafür, dass sich das Widerspruchsrecht nur auf solche Adressen beziehen kann, die von dem Unternehmen in der Vergangenheit und Gegenwart bis zum erklärten Widerspruch für die Zwecke der Direktwerbung verwendet wurde.     

Zwar sprechen die besseren Gründe dafür, diese "neue" Adresse nicht vom Widerspruch erfasst anzusehen, das Risiko einer abweichenden Rechtsauffassung durch die zuständige Aufsichtsbehörde oder das zuständige Gericht trägt am Ende das Unternehmen.  

Worauf ein Unternehmen nach einem Widerspruch in der Praxis achten muss

Wurde der weiteren Verwendung der Adressen für die Zwecke der Direktwerbung widersprochen, muss das Unternehmen (technisch und organisatorisch) sicherstellen, dass an den Betroffenen keine weitere Werbung mehr ausgespielt wird. Der HBDI lässt hier technisch oder organisatorische Unzulänglichkeiten beim Unternehmen nicht gelten:

Ich habe den Verantwortlichen daraufhin verdeutlicht, dass sich die datenschutzrechtlichen Regelungen an den schutzwürdigen Belangen von Betroffenen und deren Inanspruchnahme von gesetzlichen Rechten orientieren und nicht an organisatorischen Defiziten bei verantwortlichen Stellen oder wie vorliegend an der Inkompatibilität technischer Systeme. Wenn es dem Unternehmen aus technischen Gründen nicht möglich ist, eine einheitliche Kundendatenbank für Online-Shop-Kunden und Handy-App-Kunden zu führen, muss das Unternehmen andere technische oder organisatorische Prozesse finden, um die Berücksichtigung von Betroffenenrechten gewährleisten zu können. Das Problem wurde schließlich durch die Einführung einer einheitlichen Sperrdatei gelöst, in die täglich die Werbewidersprüche aus beiden Systemen eingespeist werden und mit der die Versendelisten vor jedem neuen Mailing abgeglichen werden.

So wichtig also ein funktionierendes E-Mail-Marketing für Unternehmen ist, so risikant ist es aus datenschutzrechtlicher Hinsicht. Ein immer wiederkehrendes Thema in diesem Zusammenhang ist die ordnungsgemäße Einholung von Werbeeinwilligungen, damit die Werbung überhaupt an Kunden oder potentielle Kunden versendet werden kann. Ein weiteres Thema ist die Frage nach der zulässigen Bewerbung von Bestandskunden, ohne hierfür eine Einwilligung eingeholt zu haben. Wie der vorliegende Bericht des HBDI zeigt, ist ein ebenso wichtiges und vor allem praxisrelevantes Thema die Frage nach dem Umgang mit einem Werbewiderspruch. Es ist dabei nicht ausreichend, die betroffene Adresse in eine Sperrliste aufzunehmen, es muss auch sichergestellt werden, dass diese E-Mail nicht fälschlicherweise wieder freigegeben wird, weil der betroffene Kunde erneut beim Unternehmen ein Produkt gekauft hat. Die bloße Tatsache, dass der Kunde im Nachgang zu seinem Widerspruch erneut beim Unternehmen einkauft, bedeutet nicht, dass er hiermit den erklärten Widerspruch widerrufen hat und wieder mit einer Bewerbung per E-Mail einverstanden ist. Etwas anderes kann sich allerdings im Einzelfall ergeben, wenn der Kunde beim Einkauf (erneut) in den Erhalt von Werbung einwilligt. Etwas anderes kann sich auch dann ergeben, wenn der gleiche Kunde beim erneuten Einkauf eine neue Adresse verwendet, die nicht Gegenstand des Widerspruches war. Hier kann sich das Unternehmen aus meiner Sicht mit guten Gründen auf den Standpunkt stellen, dass sich der Widerspruch nicht auch auf diese Adresse erstreckt.  

 

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